Fahrrad oder Auto: Was ist das Velocar?

Wir leben in Zeiten der Verkehrswende. Zumindest rhetorisch. In Deutschland gibt es vielleicht kleine Fortschritte, aber der Durchbruch ist längst nicht geschafft. Meiner Ansicht nach gibt es drei Prinzipien, die Grundlage für eine Verkehrswende sein sollten:

  • Sie muss in kurzer Zeit umgesetzt werden
  • Sie muss nachhaltig sein (im Sinne von CO2-Einsparungen)
  • Sie muss bei den Bürgerinnen schnell zu Akzeptanz führen (Stichwort: Usability)

Wenn man diese Prinzipen beachtet kommt man auf rationale Weise eigentlich ganz schnell zu den Velocars. In der Öffentlichkeit sind sie aber noch die Nische einer Nische.

Als Kommunalpolitiker in Tübingen (Stadt und Kreis) habe ich immer wieder über „Fahrradrikschas“ gesprochen, aber niemand nimmt einen wirklich ernst. Fahrradrikschas sind vielleicht so etwas wie der frühe Vorläufer der Velocars.

Ich will jetzt in zwei Schritten vorgehen. Zuerst erklären, was Velocars eigentlich sind und im zweiten Schritt, warum sie ein entscheidendes Element für die Verkehrswende sein können. Zumindest für den Stadtverkehr und auf den Pendelverkehr, sofern er eine gewisse Grenze nicht überschreitet (ich sage mal 20-30 Kilometer).

Podbike Frikar E-Bike - Mischung aus Fahrrad und Auto = Velocar
So sieht ein Velocar aus. Das Frikar von Podbike.

Was ist ein Velocar?

Velocars sind ein Hybrid aus Fahrrad und Auto, eine recht seltsam anmutende Mischung auf den ersten Blick.

Sie bieten die Vorteile eines E-Bikes, man kann mit ihnen schwerere Lasten transportieren und sie haben den Vorteil, dass sie ein Chassis haben. Dadurch schützen sie vor Regen, Schnee und Hagel.

Mit einem Velocar ist man also schnell in der Stadt unterwegs, kann sein „Stuff“ transportieren und ist dennoch wettergeschützt. Es gibt Velocars die mehr in Richtung „Cargo“ (Lastenrad) gehen und welche, die mehr in Richtung Personenbeförderung gehen. Manche bieten sogar die Möglichkeit mehrere Personen zu transportieren.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Amazon. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Amazon. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen


Wichtig ist noch zu erwähnen, dass in den meisten Velocars Liegeradtechnik eingebaut ist. Man hat also keinen Lenker wie beim Fahrrad, sondern entsprechende Hebel, mit denen man schalten und bremsen kann.

Da die Velocar-Liegeräder aber eben elektrisch sind, gibt es noch Knöpfe für Unterstützungsstufen und auch ein entsprechendes Display.

Allerdings gibt es einen Unterschied zum Liegerad: Man sitzt eben doch nicht so tief, sondern höher. Damit ist die Gefahr, dass man übersehen wird wie beim Liegerad in der Regel nicht gegeben. Im Gegenteil: Die oft futuristisch anmutenden Velocars sind oft ein „Hingucker“.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen


Unterschied von Velocars zu Velomobilen:

Velomobile sind schon lange eine sehr kleine Nische im Fahrradmarkt. Meist gibt es nur Privatproduktionen. Velomobile sehen aus wie kleine Seifenkisten, oft auch futuristisch und laufen aber ohne E-Technik.

Durch ihre Aerodynamik sind sie so gebaut, dass man damit sogar ziemlich schnell fahren kann, aber in der Regel sind sie keine E-Bikes. Auch für schwere Lasten sind sie nicht gebaut.

Dennoch sind sie durch die Liegeradtechnik ein Vorbild für die Velocars, auch wenn sie die drei wesentlichen oben genannten Eigenschaften (E-Bike, Cargo, Chassis) nicht erfüllen.

Solche Definitionen sind aber nur Annäherungen. Die ganze Branche ist noch jung und sehr dynamisch. Ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Vor 5 Jahren ist mir das erste Mal das Podride aufgefallen. Seitdem basteln die Ingenieure fleißig. Erst jetzt sind auch erste Investoren im Boot und das ganze wird etwas „größer“, so mein Gefühl. Ich glaube, dass wenn nach der Coronakrise die Lieferketten wieder einigermaßen funktionieren, wird es 2022 so richtig losgehen damit!

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen


Wieso erfüllen Velocars die Prinzipien der Verkehrswende?

Oben habe ich die drei Prinzipien genannt. Die Verkehrswende muss jetzt schnell kommen und auf den Pfaden aufbauen, die wir bisher im Verkehr schon gegangen sind (diese Pfade waren nicht immer optimal, aber sie sind die Realität).

Denn was klar ist: Klimaforscher wie Schellnhuber sagen, dass das 1,5-Grad-Ziel schon in 7 Jahren gerissen werden könnte und das 2-Grad-Ziel in 20.

Das heißt: Es muss jetzt sofort losgehen. Die Schiene, Bahn- und Straßenbahnprojekte sind zwar sehr zu begrüßen. Ich liebe die Bahn!

Aber: Sie dauern eben ewig. Gerade wenn dann noch alles gut geplant werden soll, demokratisch legitimiert werden soll etc. kann so ein Schienenprojekt eben selbst schon einmal 20 Jahre dauern. Diese Zeit haben wir nicht mehr. Wir brauchen quasi jetzt Lösungen für die Verkehrswende.

Das zweite Kriterium ist klar: Die Gefährte, die gebaut werden, müssen natürlich klimaneutral sein. Bei E-Autos habe ich da so meine Zweifel. Gerade, wenn es um E-SUVs geht, muss man sagen, dass hier einfach zu viel Material für zu wenig Mobilität umgesetzt wird. Autos wiegen immer mehr und verbrauchen immer mehr Fläche.

Man muss kleiner und effizienter werden. Ich habe jetzt noch keine Zahlen dazu, aber augenscheinlich verbraucht ein Velocar deutlich weniger Material als ein PKW (und damit auch weniger Energie). Im Stadtverkehr ist ein Velocar realiter mit 25 km/h, was ja die gesetzliche Drossellung bei E-Bikes ist, genauso schnell wie das Auto.

Das würde ich jetzt einfach einmal so behaupten. Denn: Würden wir alle Autos durch Velocars ersetzen, hätten wir einfach weniger bis gar kein Stau mehr. Viele Pendler denken, sie wären mit einem Auto schnell. Doch es gibt in der Pendelzeit Durchschnittsgeschwindigkeiten weit unter 20 km/h. In Berlin gibt es sogar Untersuchungen, die im morgendlichen und abendlichen Pendelverkehr von 8,2 km/h (sic!) ausgehen. Autos sind schnell? Pustekuchen!

Drittes Kriterium ist die Usability: Ich denke schon, dass durch eine bessere Infrastruktur für den Radverkehr der Anteil von den jetzigen 11% in Deutschland sehr deutlich gesteigert werden kann. Aber ob wir die in manchen niederländischen Städten 40% erreichen darf man doch bezweifeln.

Velocar Podbike Frikar durch die Berge
Das Podbike Frikar fährt durch spektakuläre Landschaften.

Gerade in Süddeutschland ist es eben viel bergiger. Wenn man dann in andere europäische Länder schaut wie die Schweiz, Österreich oder auch Spanien oder Slowenien, so muss man feststellen:

Hier steigen die Menschen nicht so schnell aufs (Holland)rad um, das dauert. Vielleicht schaffen die E-Bikes hier mehr Radanteil, aber auch hier könnte die Akzeptanz gesteigert werden durch eine besondere Form der E-Bikes: Durch die Velocars.

Denn mit diesen kann man dann gleich mehr transportieren, hat zudem einen Wetterschutz und oft sind diese auch familientauglich. So erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie Lastenräder.

Ich glaube nur, dass der Umstieg vielen vom Auto auf das Velocar leichter fallen würde wie vom Auto aufs Lastenrad.

Den Aspekt Wetterschutz darf man beim Umstieg, denke ich, nicht unterschätzen. Aber man benötigt halt für den Wetterschutz keine Tonne Auto, sondern kann eben viel leichter fahren. Effizient, leicht und wendig heißt das Motto.

Natürlich wäre ein guter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) immer auch eine Alternative. Aber gerade Menschen, die in der Familienzeit leben, müssen oft nicht nur von A nach B, sondern von A nach B, nach C, nach, nach E (Kita, Einkauf, Freunde, Behörde, Arbeit etc.). Hier ist auch das Velocar eine gute Alternative.

Was ich auch glaube, dass man hier schon in Reichweiten von 40 Kilometern am Tag denken kann. D.h. nicht nur für den urbanen Raum, sondern wenn man z.B. 20 Kilometer von einer größeren Stadt wegwohnt, wäre das Velocar eine mögliche Alternative. 20 km/h kann man im Schnitt locker fahren und ist so faktisch auch nicht langsamer als mit einem Auto, das im Stau steht und zudem mit der Parkplatzsuche konfrontiert wird.

Velocars wie das Podbike kann man sogar hochkant stellen und hat so einen minimalen Flächenverbrauch beim Parken.

Das Podride - Fahrrad-Auto
Ingenieur Mikael Kjellman in seinem selbst entwickelten Podride.

Welche Velocars gibt es und wo kann ich schon welche im Jahr 2021 kaufen?

Die wichtigste Frage, wenn man jetzt überzeugt ist, die wäre: Kann man das schon irgendwo kaufen?

Ich selbst hoffe seit einigen Jahren schon auf das Podride, aber bisher gibt es diese noch nicht regulär zu verkaufen. Deshalb habe ich mich auch beim Podbike eingetragen und einen Vorschuss gezahlt: Ich will das Ding testen und könnte es auch gut für meinen Alltag gebrauchen!

Um es kurz zu sagen: Es ist schwierig bis unmöglich schon so ein Velocar zu bekommen. Aber das Jahr 2022 könnte der Durchbruch sein.

Denn dann müssten die Lieferketten nach Asien wieder funktionieren, auch für die Fahrradindustrie. Dann wird man auch sehen wie hoch die erste Nachfrage wirklich ist.

In Kommentarspalten polarisieren Velocars immer wieder. Das spricht dafür, dass sie erfolgreich werden können. Insofern wird viel über sie diskutiert. Es kann also sein, dass sie schnell aus der Nische kommen.

Vielleicht wird es Sharing-Anbieter geben, die Velocars anbieten und so für ein großes Publikum erschwinglich machen? Wer weiß.

Jedenfalls ist es in 2021 noch schwer an ein Velocar zu kommen. 2022 wird es besser sein und spätestens 2025 wird sich ein Großteil der Menschen in Deutschland fragen: Warum habe ich nicht schon längst eins?

Die Preise von SUVs werden purzeln, Velocars werden langsam teurer werden. Die ersten Politiker*innen werden überlegen, ob man in manchen Innenstädten nur noch Velocars erlaubt.

Insofern: Auch wenn man jetzt noch keines kaufen kann, man sollte sich in die Schlange stellen!

Den Begriff Velocar kenne ich selbst nicht so lange. Ich kann mir vorstellen, dass er sich für diese Gefährte durchsetzt. Als ich 2016 das erste Mal ein Podbike in einer Online-Zeitung sah, war der Begriff noch nicht etabliert. Historisch gab es Velocars schon in den 30ern und 40ern. Der Franzose Charles Mochet hatte sie entwickelt. Sie setzten sich nicht durch, auch weil die UCI (der Radsportverband) sie nicht erlaubte.

Übersicht über drei Velocar-Modelle

Zuletzt noch eine kleine – kein Anspruch auf Vollständigkeit erhebende – Liste über die Velocars, die ich jetzt schon ins Auge gefasst habe. Ich könnte mir ehrlich gesagt alle vorstellen zu kaufen.

1. Podride

Das Podride fiel mir durch Zeitungsartikel schon 2016 ins Auge. Das Velocar sieht wirklich süß aus und kommt aus Schweden. Dort wurde es vom Ingenieur Mikael Kjellman auch im Schnee getestet. Dafür hat er auch Spike-Reifen aufgezogen.

1,8 Meter lang ist es und 1,45 Meter hoch. Das Gewicht beträgt ca. 70 Kilo. Es wird genauso schnell wie ein E-Bike sein und ab 25 km/h beginnt eben die Drosselung.

Leider dauert die Massenproduktion doch etwas länger als gedacht. Ich hätte mir schon etwas früher eines gewünscht. Aber wahrscheinlich ist eben die Produktion dann doch aufwendiger als man als Laie so denkt. Bisher kann man das Podride noch nicht kaufen!

Podride - Velocar - Velomobil
Das Podride.

2. Podbike

Das Frikar von Podbike ist auch ein Highlight. Es ist wirklich kompakt und man kann es auch hochkant stellen. So hat man nie Parkplatz-Probleme. Es ist dadurch natürlich auch etwas niedriger als andere Velocars.

Die durchsichtige Scheibe aus Thermoplastik sorgt dafür, dass man komplett vor jeglichen Wettereinbrüchen geschützt ist. Es hat eine Fahrradlenkstange und zwei Motoren.

Das Podbike kommt aus Norwegen und soll 2022 kaufbar sein. Derzeit kann man es schon vorbestellen und trägt sich so praktisch in die Liste mit ein. 60 Kilo soll es wiegen und ein normales E-Bike sein, das eben bei 25 km/h gedrosselt wird.

Das Podbike.

3. Schaeffler Bio Hybrid

Die dritte Empfehlung kommt aus Deutschland. Der Schaeffler Bio Hybrid ist ein Projekt der Schaeffler-Gruppe hat sich meines Wissens aber als eigenständiges Unternehmen davon abgelöst.

Jedenfalls ist es das „mächtigste“ der drei hier vorgestellten Velocars. Es ist in zwei Varianten, als Lastenrad und als Doppelsitzer jetzt schon vorbestellbar. Ganz billig wird es nicht sein, aber dafür ist man voll flexibel. Hier kann man auch eine Person mitnehmen.

Es ist auch das schwerste und kommt wohl auf 100 Kilogramm. Dafür wird man gut gesehen. Auch das Schaffler Bio Hybrid kommt auf die 25 km/h, bei dem Gewicht wird man dann auch kaum schneller fahren können. Futuristisch und stylisch sieht es auf jeden Fall aus.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen


6 Gedanken zu „Fahrrad oder Auto: Was ist das Velocar?“

  1. Eine Marktübersicht zu Velocars mit Fokus auf Mitteleuropa gibts hier:
    https://velocar.net/

    Unser eigenes, sehr klassisches Velocar macht seit einigen Monaten im Alltagsbetrieb eine sehr gute Figur:
    https://velowing.com/

    In der Praxis hat es sich für den Berlin und die nahe Umgebung mehr bewährt als jedweder anderer Fahrzeugtyp – inkl. PKW, Velomobil, Rikscha, Fahrrad etc.. Und ist praktisch täglich im Einsatz:
    https://velowing.com/de/galerie/

    Beste Grüße
    Stefan

    Antworten
  2. Ich muß ein bißchen schmunzeln, wenn ich lese:

    „Was ich auch glaube, dass man hier schon in Reichweiten von 40 Kilometern am Tag denken kann. D.h. nicht nur für den urbanen Raum, sondern wenn man z.B. 20 Kilometer von einer größeren Stadt wegwohnt, wäre das Velocar eine mögliche Alternative. 20 km/h kann man im Schnitt locker fahren und ist so faktisch auch nicht langsamer als mit einem Auto, das im Stau steht und zudem mit der Parkplatzsuche konfrontiert wird.“

    Ich (m 45) fahre ein 8 Jahre altes, unmotorisiertes Velomobil „Quest Carbon“ des niederländischen Herstellers Velomobiel.nl , mit dem ich meinen Arbeitsweg von 50 km (einfache Strecke!) in 1:40h schaffe, bei Durchquerung zweier Großstädte (Erlangen und Nürnberg). Und ich bin kein Supersportler, sondern Schreibtischarbeiter. Von daher denke ich, daß sich ein genauerer Blick auf die (im übrigen professionell hergestellten) aktuellen Velomobile auf jeden Fall lohnt. Die neuesten Modelle sind noch deutlich besser in jeglicher Hinsicht (Schnelligkeit, Verarbeitungsqualität, Komfort, Gewicht). http://www.Velomobileworld.com ist ein guter Einstiegspunkt, um einige der aktuellen Modelle kennenzulernen.

    Antworten
    • Hallo Simon,

      ich denke bei solchen Zitaten halt nicht an den Fahrrad-Fan oder Velomobil-Fan, sondern an den Mainstream-Pendler.
      Und da denke ich, dass diese Elektor-Klein-Fahrzeuge wie das Podbike durchaus den ein oder anderen zum Umsteigen bewegen könnten.

      Sicherlich auch ein Velomobil, aber ich glaube dann eher doch realistischerweise, dass man dazu „Nerd“ sein will. Ich will dadurch Velomobile in keinem Fall kleinreden, ich selbst interessiere mich sehr für derartige Mobilität.

      Viele Grüße,
      Markus
      (RadtourenChecker)

      Antworten

Schreibe einen Kommentar